Warum klimafreundliche Optionen oft auf der “Dienststrecke” bleiben
© Bild erstellt von Midjourney.
Die Frage, warum trotz umfassender Kenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels viele Mitarbeitende bei Geschäftsreisen weiterhin auf CO₂-intensive Verkehrsmittel zurückgreifen, beschäftigt zahlreiche Unternehmen. Neue Erkenntnisse aus der Psychologie bieten hier spannende Einblicke: Es sind nicht immer rein rationale Überlegungen, die die Wahl des Verkehrsmittels bestimmen. Vielmehr wirken tief verankerte psychologische Barrieren, die den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen erschweren.
Ein zentraler Faktor ist das fehlende Handlungs- und Effektivitätswissen. Es reicht nicht aus, sich der Klimakrise bewusst zu sein. Mitarbeitende müssen auch verstehen, wie effektiv der Umstieg auf alternative Verkehrsmittel tatsächlich ist und welche konkreten Optionen es gibt. Ohne dieses Wissen bleibt der Wechsel zu umweltfreundlichen Alternativen oft auf der Strecke.
Ein weiteres Hindernis stellt die kognitive Dissonanz dar. Viele Menschen erleben einen inneren Konflikt, wenn sie ihre umweltfreundlichen Überzeugungen nicht in ihrem Verhalten widerspiegeln. Anstatt ihr Verhalten anzupassen, neigen sie dazu, ihre Einstellungen zu relativieren. Hier gilt es, den Prozess so zu gestalten, dass das gewünschte Verhalten, wie beispielsweise die Nutzung von Bahnreisen, leicht und ohne großen Mehraufwand umgesetzt werden kann.
Auch Emotionen spielen eine entscheidende Rolle. Negative Erfahrungen oder Vorbehalte gegenüber bestimmten Verkehrsmitteln können dazu führen, dass Mitarbeitende alternative Optionen meiden. Unangenehme Erlebnisse, wie unkomfortable Zugfahrten oder komplizierte Buchungsprozesse, können die Entscheidung zusätzlich beeinflussen. Positive Emotionen und Anreize, wie etwa angenehme Reisebedingungen oder attraktive Prämien, können hingegen einen starken Motivationsimpuls setzen.
Soziale Normen und das Verhalten im Kollegenkreis haben einen weiteren Einfluss. Wenn in einer Organisation überwiegend das Auto oder das Flugzeug als Standard gilt, fällt es einzelnen Mitarbeitenden schwer, sich für umweltfreundlichere Optionen zu entscheiden. Wird hingegen ein neuer, klimafreundlicher Standard etabliert – unterstützt durch sichtbare Vorbilder und klare Kommunikation – können solche Normen nachhaltig verändert werden.
Nicht zuletzt spielt auch der Selbstwertschutz eine Rolle. Mitarbeitende wollen ihren Selbstwert bewahren und vermeiden es, sich in eine Position zu begeben, in der sie als „umweltunbewusst“ wahrgenommen werden. Oft werden bestehende Gewohnheiten, wie das automatische Nutzen des eigenen Autos, so lange beibehalten, bis der Aufwand für eine Verhaltensänderung als zu hoch empfunden wird.
Unternehmen, die diese psychologischen Barrieren erkennen und gezielt angehen, können nicht nur den ökologischen Fußabdruck ihrer Geschäftsreisen senken, sondern auch ökonomische Vorteile erzielen. Individuelle Beratungsgespräche, die eine kritische Überprüfung bestehender Reiserichtlinien ermöglichen, liefern praxisnahe Handlungsempfehlungen: Sei es durch einfache Telefonate, Videocalls oder detaillierte E-Mail-Konsultationen. Durch den Einsatz digitaler Tools, wie Dashboards und Vergleichstools, können CO₂-Werte transparent dargestellt und dadurch fundierte Entscheidungen getroffen werden. Diese Ansätze helfen, strukturelle Hürden zu identifizieren und abzubauen, sodass der Wechsel zu nachhaltigeren Mobilitätsoptionen für alle Beteiligten einfacher wird.
Zudem zeigen Erfahrungen aus bereits durchgeführten Beratungen, dass ein partizipativer Ansatz – bei dem Mitarbeitende aktiv in die Entwicklung und Umsetzung neuer Mobilitätsrichtlinien eingebunden werden – entscheidend zum Erfolg beiträgt. Offene Workshops und digitale Umfragen fördern den internen Austausch, steigern das Bewusstsein für nachhaltige Optionen und stärken das Gefühl, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. So wird nicht nur der ökologische Nutzen erhöht, sondern auch die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen gestärkt.
Die Transformation der Geschäftsreisepraxis ist somit ein multidimensionaler Prozess, der technologische, organisatorische und kulturelle Veränderungen vereint. Die Integration moderner digitaler Technologien, die Schaffung transparenter Strukturen und der konsequente Dialog mit den Mitarbeitenden bilden zusammen ein robustes Fundament für nachhaltiges Handeln. Unternehmen, die in diesen Bereichen aktiv werden, können sich als Vorreiter im Klimaschutz positionieren, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern und gleichzeitig langfristige Kosteneinsparungen realisieren.
Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die erweiterten Berichtspflichten im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), unterstreichen zusätzlich die Notwendigkeit, nachhaltige Geschäftsreisen als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie zu verankern. Unternehmen sind gefordert, den gesamten Mobilitätsprozess, von der Buchung über die Durchführung bis zur Abrechnung, nachhaltig zu optimieren und dabei sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen Ziele in Einklang zu bringen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nachhaltige Geschäftsreisen nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches Anliegen sind. Der Weg zu einer klimafreundlichen Mobilität erfordert ein umfassendes Umdenken, bei dem traditionelle Prozesse hinterfragt und durch innovative, digitale und partizipative Ansätze ersetzt werden. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, legen den Grundstein für eine zukunftsfähige Mobilitätsstrategie, die sowohl ökonomische Vorteile als auch eine verbesserte Umweltbilanz ermöglicht.
*Seitenhinweis: Die Webinare zur Vertiefung der Thematik starten am 19. März und werden zusammen mit ClimateMind gehostet. Unser Blogtext bezieht sich auf den Artikel von Fabian Hirt (ClimateMind) aus der BAUM Insights Ausgabe 03/25.
Mitwirkende bei den Webinaren: Bundesverband Betriebliche Mobilität e. V., Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit, Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen GmbH sowie die Deutsche Plattform für Mobilitätsmanagement (DEPOMM) e. V. *